GR20 - in 12 Tagen von Calenzana nach Conca

Sommerpläne sind da, um sie spontan zu ändern und an das Wetter anzupassen - so bin ich im September 2021 auf Korsika gelandet um den GR 20 zu wandern.

Die Entscheidung für Korsika war sehr kurzfristig, dementsprechend rudimentär und oberflächlich war meine Recherche vorab zum GR20. Eigentlich habe ich nur die Anreise von daheim zum Ausgangspunkt im Detail recherchiert und hab ein bisschen in meinem kleinen roten Buch geblättert (ja, ich bin eine analoge Wanderführer-Leserin), aber mich nicht wirklich im Detail mit dem Trail und den Gegebenheiten vor Ort befasst. Zeit für Blogs und Videos im Internet war auch keine, sonst hätte ich einige Dinge schon vorher wissen können:

  • Genügend Bargeld mitnehmen! In den Refuges wird nur Bargeld angenommen, Kreditkarten werden nur in Hotels (zb in Ascu oder am Col de Vergio) akzeptiert und es gibt keinen Bankomaten am GR20
  • Eine kleine Auswahl an Lebensmitteln für Selbstversorger und Snacks sind in fast jeder Hütte zu bekommen; natürlich teurer als im Supermarkt, aber man braucht nicht unbedingt Essen für mehrere Tage mitzuschleppen
  • Die Netzabdeckung in den korsischen Bergen ist sehr schwach - stell dich darauf ein, nicht ständig erreichbar zu sein


Der GR20 wird als einer der härtesten Fernwanderungen Europas gehandelt - und das zu recht. Leider habe ich innerhalb der ersten 3 Tage auf dem GR20 auch viele Leute getroffen, die der körperlichen und mentalen Herausforderung nicht gewachsen waren. Neben absoluter Trittsicherheit und Schwindelfreiheit braucht es auch Kondition und Ausdauer, um die teilweise anspruchsvollen und langen Etappen wirklich genießen zu können. Feste Bergschuhe sind für die meisten Wanderer die richtige Wahl - wer auch im alpinen Gelände mit Trailrunning Schuhen sicher unterwegs ist, wird damit auch glücklich. 



Grundsätzlich gilt am GR20 die selbe Regel wie auf jedem anderen Fernwanderweg: Go as light as you can! Ein vollgepackter 60-Liter-Rucksack ist einfach ein Hindernis, wenn kurz geklettert werden muss oder an ausgesetzten Stellen die Balance gehalten werden soll. Es lohnt sich definitiv, sich vor der Wanderung mit seiner Ausrüstung zu befassen und wirklich nur die Dinge mit zu tragen, welche man auch wirklich benötigt. Wer zum ersten Mal mit einem Zelt unterwegs ist, sollte daheim schon einmal das Aufbauen üben - es macht eher wenig Spaß, sein neues Zelt zum ersten Mal bei Regen oder bei starken Windböen aufzubauen. Wobei: Zum Zuschauen fand ich diese Szene am Campingplatz in Vizzavona schon ganz unterhaltsam. :)

Der GR20 lässt sich auch recht gut an die unterschiedlichen Bedürfnisse der Wanderer anpassen: Oft gibt es Betten und immer fix installierte Zelte bei den Hütten, die man online vor buchen kann (und definitiv sollte - zumindest in der Hauptsaison). Nachteil ist allerdings, dass man wenig flexibel bei der Etappenwahl ist… gerade wer von Nord nach Süd geht, wird auf der zweiten Hälfte schneller unterwegs sein. Mit dem eigenen Zelt habe ich auch die Möglichkeit, mal zwei Nächte am selben Ort zu bleiben, um zu chillen oder vielleicht noch einen Gipfel in der Nähe mit zu nehmen. Für den GR20 würde ich immer wieder die Variante mit dem eigenen Zelt wählen - wer nicht erst spät abends an einem Refuge oder einer privaten Bergerie ankommt, wird meistens auch einen passablen Platz für sein Zelt finden. Wenn man zwischen freistehendem oder nicht freistehendem Zelt entscheiden kann, sollte man sich tendenziell für die freistehende Option entscheiden - der Untergrund ist oft sehr hart und felsig und mit einem freistehenden Zelt ist man flexibler.

Schön zu sehen war, dass auf dem GR20 Altersgruppen alle vertreten sind - die einen machen halt kürzere Etappen und lassen sich mit dem Taxi um heikle Abschnitte herumfahren und andere versuchen körperliche Extrem-Leistungen zu vollbringen. Für einen Großteil ist der GR 20 der erste Trekking-Urlaub - ob die Schuhe wirklich passen und welche Ausrüstung man lieber daheim gelassen hätte, findet jeder ziemlich schnell selbst heraus. Ein Tipp habe ich allerdings für Menschen, die weniger Erfahrung damit haben, mit fremden Menschen auf dem gleichen Zeltplatz zu schlafen: DEINE STIRNLAMPE HAT EINE ROTLICHT-FUNKTION! Bitte benutze sie auch! So manche übermotivierte Frühaufsteher haben mir die Nächte etwas verkürzt, weil morgens um halb 5 mein Zelt bereits hell angeleuchtet wurde.

Einige Worte französisch erleichtern das Wandern auf dem GR20 - zu der Zeit als ich unterwegs war, waren ca. 85% der anderen Wanderer Franzosen. Leider ist es kein reines Vorurteil, dass auch junge Menschen kein Englisch sprechen (oder sprechen wollen…). Dafür habe ich sehr positive Erfahrungen mit den Korsen gesammelt. Die Korsen wirken bei der ersten Begegnung oft etwas mürrisch und eigenbrötlerisch - aber wenn man sich etwas Mühe gibt, freundlich und offen auf das Gegenüber zugeht und kein komplettes A*******h ist, wird man von der direkten und hilfsbereiten Art positiv überrascht.

Something about fear-mongering…

Hin und wieder begegnet man auch Menschen, die in die entgegengesetzte Richtung unterwegs sind. Da der Trail in beide Richtungen markiert ist, ist es reine Geschmacksache, ob man sich für Nord-Süd oder Süd-Nord entscheidet. Wer’s aber mal von Calenzana bis nach Vizzavona geschafft hat, hat den härtesten Teil hinter sich - der südliche Teil des GR20 ist sanfter und weniger steil. Es kann durchaus passieren, dass einem Wanderer, die im Süden gestartet sind von beinahe unüberwindbaren Abschnitten berichten. Kommt dann der Augenblick, an dem man selbst diese Stellen passiert, stellt man fest, dass der Abstieg zwar in die Knie geht, der Adrenalin-Spiegel sich aber im Normalbereich bewegt. Dieses Empfinden ist natürlich subjektiv, aber grundsätzlich sollte man sich nicht von Erzählungen anderer verunsichern lassen. Wer sicher und routiniert mit Hausverstand am Weg ist, wird die letzten Kilometer auch bei nicht optimalem Wanderwetter meistern können.

Der GR20 ist eine super schöne Erfahrung - landschaftlich, menschlich und körperlich - und irgendwie wäre es auch reizvoll, ihn irgendwann einmal in die umgekehrte Richtung zu wandern.




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