TMB Review - in 7 Tagen rund um den Mont Blanc

 179 Kilometer, 3 Länder (Frankreich - Italien - Schweiz) und 100 verschiedene Möglichkeiten, wie man die Tour du Mont Blanc gestalten kann: Die sehr populäre Langstrecken Wanderung die rund um das Mont Blanc Massiv führt hat mich landschaftlich schon lange gereizt, weniger gereizt hat mich was ich bisher über die große Anzahl der Menschen, die dort jeden Sommer im Kreis wandern, gehört hatte. Aber für solche Fälle gibt es ja die Nebensaison, dachte ich bisher immer… 


Im September 2023 war es soweit. Es wurde wieder Zeit für eine mehrtägige Geburtstagswanderung mit mir alleine. Üblicherweise starten die meisten Wanderer in Les Houches auf die TMB. Das beschauliche Örtchen, etwas südlich von Chamonix in den französischen Alpen, ist aber mit öffentlichen Verkehrsmitteln aus Innsbruck kommend nur sehr umständlich erreichbar, deshalb ist meine Wahl auf Trient in der französischen Schweiz als Startpunkt gefallen. Nach Martigny in der Schweiz fährt ein Zug und von dort aus gibt es recht regelmäßig auch Busse an das Col de la Forclaz. Wer wie ich den letzten Bus am späten Nachmittag verpasst, muss weit durch die Stadt gehen, bis man Abzweigung Richtung Trail erreicht. Zum Autostoppen, direkt an einer Autobahnausfahrt, zwar nicht optimal, aber mit Geduld definitiv machbar.

Kurz bevor es dunkel wurde, hat mich ein Bergführer aus Chamonix den Berg mit hoch genommen und er hat mich direkt zu meinem Startpunkt gefahren. Es war schon Abend und ich wollte zelten um am nächsten Tag gleich los starten zu können. Auf dem Zeltplatz in Trient waren schon einige andere Wanderer. Hier kreuzen sich zwei verschiedene mehrtägige Touren und es war nicht so einfach zu sagen, wer auf der TMB und wer auf der Haute Route von Chamonix nach Zermatt unterwegs war. Das würde ich aber am nächsten Tag herausfinden…

Die erste Nacht im Zelt (nach mehreren Wochen in geschlossenen Räumen schlafen) war gewohnt und routiniert wie immer: Mit der untergehenden Sonne habe ich mich in den warmen Schlafsack gekuschelt bevor es kalt wird. Dann habe ich dem Bach und den Asiaten neben mir am Zeltplatz zugelauscht, bis ich eingeschlafen bin. Am nächsten Tag ging es gleich nach meinem Kaffee im Bett hoch hinaus: Schon gegen 10 Uhr war ich an der Landesgrenze zu Frankreich und konnte die ersten Gletscher sehen!

Wer die TMB wandert, muss sich für eine Richtung entscheiden: Entweder geht man im Uhrzeigersinn oder gegen den Uhrzeigersinn. Beide Richtungen haben ihre Vorteile. Ich habe mich bewußt für die üblichere Gehrichtung gegen den Uhrzeigersinn entschieden. Die technisch etwas anspruchsvolleren Abschnitte sind bergauf einfach leichter, als bergab. Mein erster voller Wandertag hatte es auch in sich: Am Vormittag habe ich ein paar Fleiß-Höhenmeter gemacht, in dem ich noch einen Gipfel mitgenommen habe und am Nachmittag warteten mehrere schwindelerregende Leitern auf mich. Wie immer, wenn meine Füße festen Boden verlassen, waren meine Hände schweißnass, aber ich kenne mich und meine Fähigkeiten inzwischen sehr gut und weiß, dass ich einfach nicht runter schauen darf. Ich wünschte, das würden auch andere wissen, die nicht schwindelfrei sind. Manchmal fand ich es beängstigender anderen Menschen beim Versuch die Stahlleitern rauf oder runter kommen zu sehen, als selbst an diesen wackligen Monsterteilen hoch zu kraxeln. Aber egal: ich war endlich wieder mit dem Rucksack in den Bergen unterwegs und Wetter und Aussicht waren genau so, wie man sich das vorher wünschen würde.

Insgesamt war ich an diesem Tag gute 10 Stunden zu Fuß unterwegs und bin abends am Speicherteich bei Le Flégère angekommen, wo TMB Wanderer kostenlos zelten dürfen. 


Abends hatte ich einen wunderschönen Blick hinunter nach Chamonix und auf die beeindruckenden Gletscher. Ich hab mir auch nicht viel gedacht, als ein Bauer am Abend noch eine Wiese eingezäunt hat und seine Schafe hierher getrieben hat. Blöderweise habe ich die typisch französischen Hirtenhunde vergessen! Sieben von diesen großen und stattlichen Exemplaren waren hier, um die ganze Nacht ihre Schäfchen zu bewachen. So weit, so gut - aber diese Hunde mit dem großen Beschützerinstinkt reagieren auf jedes Geräusch und jede Bewegung. An diesem Abend haben ungefähr 15 Leute rund um den kleinen See herum gezeltet und jedes Mal, wenn sich jemand im Zelt umgedreht hat, haben die Hirtenhunde wieder angefangen laut zu bellen. Einer der Hunde war auch außerhalb des Schafgeheges unterwegs und ist die ganze Nacht rund um unsere Zelte geschlichen. Kaum war ich weg gedöst, hat mir gefühlt schon wieder jemand ins Ohr gebellt. In Sizilien hatte ich schon einmal eine sehr unschöne Begegnung mit diesen Hirtenhunden. Einerseits hätte ich am liebsten mitten in der nacht mein Zelt abgebaut und weiter gewandert, aber auf der anderen Seite wußte ich genau, dass mich der Hund auch sofort wieder zu den Schafen zurück treiben würde, sobald ich mich alleine mitten in der Nacht auf den Weg machte… also: Kopfhörer rein, Podcast an und hoffen, dass die Sonne bald aufgeht…

Nicht nur ich hatte eine sehr kurze Nacht, auch die anderen Leute, die hier campiert haben. Alle waren froh, als die Sonne aufging und man sich langsam bereit machte, wieder los zu starten. Ein kanadisches Pärchen, welches direkt neben mir gezeltet hat, hat an jenem übermüdeten Morgen ihre Rundwanderung um den Mont Blanc abgebrochen. Sie waren einfach zu müde und zu fertig um ihre letzte Etappe noch fertig zu gehen.

Für mich hat aber erst der zweite Tag angefangen und ich war trotz Schlafdefizit hoch motiviert: Die ersten zwei Stunden bin ich auch keiner Menschenseele auf dem Trail begegnet. Ich bin fast auf gleichbleibender Höhe weiter Richtung Süden gewandert - links von mir hatte ich immer den berühmten Mont Blanc im Blick. An diesem Tag hatte ich Geburtstag und ich genoss diese Ruhe mit mir alleine. Nur kurz habe ich telefoniert um danach ohne schlechtes Gewissen weiter im Flugmodus ohne Ablenkung weiter zu wandern. Das mit dem alleine unterwegs sein, hat sich kurz vor Le Brévent, einem populären Aussichtspunkt, schlagartig geändert: Die Seilbahn aus dem Tal hat im Minutentakt neue Gruppen von Wanderern ausgespuckt.

Langsam machte sich die kurze Nacht bemerkbar aber trotzdem wollte ich möglichst schnell voran kommen und die großen Gruppen hinter mit lassen. An einem kleinen Pass habe ich dann ein super nettes Pärchen aus Deutschland kennen gelernt, die in der Gegend gerade Urlaub machten. Auch sie waren mit der Bahn heraufgekommen und wollten nach einer kurzen Rundtour auch mit eben dieser wieder retour ins Tal. Wir haben uns gut unterhalten, gemeinsam junge Gämse beim herumspringen beobachtet und zum Abschluss haben mir die Beiden sogar eine Coca Cola spendiert - das perfekte Geburtstagsgeschenk! Kurz hatte ich tatsächlich überlegt, gemeinsam mit dem Pärchen die Bahn ins Tal zu nehmen, aber eigentlich wollte ich zu Fuß runter bis nach Les Houches. Das waren noch einmal fast 10 Kilometer und 1600 Höhenmeter bergab - aber der Zucker im Blut hat gewirkt!
 
Mittags habe ich mir eine lange Pause auf der Sonnenterrasse einer Herberge gegönnt und habe mich dann weiter Richtung Tal bewegt. Eins kann ich euch sagen: Der Weg zieht sich! Wenn man meint, man wäre schon fast im Tal, führt der Trail noch einmal dem Berg entlang und schlängelt sich nur sehr langsam abwärts. Zur Feier des Tages (und weil ich definitiv Schlaf nachholen musste!), habe ich mir ein Hotelzimmer gegönnt. Auch meine Knie fanden das super - nach dem stundenlangen, steilen Abstieg habe ich meine Gelenke richtig gespürt. Es zog und zwickte in meinem Knie und bei jedem Schritt hatte ich stechende Schmerzen im rechten Knie. Juhuuu! Ich fühle mich so alt, wie ich bin! Hundemüde bin ich nach dem Essen ins Bett gefallen und hab gehofft, dass die Schmerzen bin zum nächsten Tag vergehen würden…

Die Nacht im Hotel war definitiv die richtige Entscheidung, aber 100%ig schmerzfrei war ich am nächsten Tag noch nicht. Ursprünglich war meine Idee mit meinem Zelt bis zum Refuge la Balme zu wandern, aber kurz nach Mittag passierte ich einen Campingplatz im Tal und ich habe beschlossen, dass dies ein Zeichen ist. Ein fauler Nachmittag mit nettem Hiker-Tratsch und guten Ratschlägen vom Betreiber des Campingplatzes waren genau das, was mein lädiertes Knie gebraucht hat.

Am nächsten Tag war ich wieder topfit und bin schon in der Früh recht zügig unterwegs gewesen. Meinen Frühstückskaffee habe ich mir kurz über dem Refuge la Balme gekocht und habe die Menschen beobachtet, die an mir vorbei gewandert sind: Auf der TMB sind sehr viele Amerikaner und Japaner unterwegs, die meisten in geführten Gruppen und nur mit einem kleinen Tagesrucksack. Sie werden meistens an der nächsten befahrenen Straße schon vom Taxi wartet, welches die Urlauber wieder zurück in ihr Hotel bringt. Während ich so da gesessen bin und in Ruhe gefrühstückt habe, ist mir auch aufgefallen, dass ich noch keinen einzigen  deutschsprachigen Wanderer auf der TMB getroffen habe. Bis auf ein pensioniertes Ehepaar aus der Schweiz sollte das auch bis zum Ende so bleiben.

Meinem Knie ging es auch wieder ganz gut - nur kurz vor dem Col du Bonhomme hat der stechende Schmerz im rechten Knie wieder angefangen und ich hab es als Zeichen gesehen, dass ich mir dort oben in der Sonne ein kurzes Schläfchen verdient hatte. Danach ging es recht flott und zügig in Richtung Les Chapieux.  Über diesen Ort - oder besser gesagt über das Restaurant in der Albergue - hatte ich davor schon viel Gutes gehört. Ich wollte unbedingt Halt machen und eine Kleinigkeit essen um dann am späteren Nachmittag noch zu einem Platz, der unter den Wildcampern bekannt ist, weiter zu gehen. Die „Kleinigkeit“ war dann schlußendlich ein massiv großes Omlett mit Schinken und Käse und eine bisschen Deko-Salat… ich hatte Hunger und hab wie eine Weltmeisterin reingeschaufelt. Gott sei Dank hat meine Shorts einen Gummibund! Direkt nach dem Essen schwankte ich zwischen Glückseligkeit durch Kalorienzufuhr und dem Gefühl, mein Omlett wieder da raus lassen zu wollen, wo ich es vorher reingestopft habe.

So sehr ich vor dem Essen motiviert war, noch ein Stück näher in Richtung Courmayeur zu wandern, so sehr war mir auch klar, dass dies so vollgefuttert eine schlechte Idee war. Kurzentschlossen habe ich mein Zelt am kostenlosen Campingplatz für TMB Wanderer gepitcht und sogar freiwillig auf’s Abendessen verzichtet, weil ich immer noch übersatt von meinem Nachmittagssnack war.

Ganz happy war ich nicht mit dem Gedanken, die Nacht hier zu verbringen - dies würde nämlich meine nächste Etappe nach Courmayeur richtig lange machen. Aber wie immer: The trail provides! In Les Chapieux fährt jeden Morgen ein Bus, der Tagesgäste die 5 Kilometer auf asphaltierter Straße, die ich sowieso nicht unbedingt wandern wollte, zum Refuge des Mottes bringt. Für 2 Euro eine super Investition und kurz nach dem ich die Grenze von Frankreich nach Italien, am Col de la Seigne, überschritten habe, habe ich auch alle großen Gruppen hinter mit gelassen.

Auf dem Weg zu meinem nächsten Etappenziel hatte ich auch zum ersten Mal auf der TMB sehr nette Unterhaltung. Ich bin einer Amerikanerin namens July begegnet, die auch alleine unterwegs war. Wir haben uns gut verstanden und uns über Trails und kulturelle Unterschiede zwischen Amerika und Europa unterhalten. Praktischerweise hatten wir ein ähnliches Tempo. Gemeinsam haben wir den letzten Anstieg vor Courmayeur in Angriff genommen. Es war ein langer Anstieg, baumlos und in der prallen Sonne. Wir haben jeden Schluck Wasser, den wir dabei hatten gebraucht. Erlösung in Form eines Brunnens gab es erst bei der nächsten Hütte.

July hatte sich eine Nacht in dieser Hütte gebucht und wollte am Tag drauf nur runter nach Courmayer um einen Pausentag einzulegen. Nachdem ich wieder genug getrunken hatte, wollte ich aber noch weiter bis nach Courmayeur und wir mussten uns schon wieder verabschieden. Auf der Karte habe ich gesehen, dass am Weg Richtung Tal eine Bergbahn eingezeichnet ist und wäre sie in Betrieb gewesen, ich hätte sie genommen! Meine Knie mochten bergab immer noch nicht so gern, aber mir blieb schlußendlich nichts anderes übrig, als am späten Nachmittag nochmal 1700 Höhenmeter auf einem steilen, staubigen Trail bergab zu gehen. Zwischen den Bäumen konnte man immer wieder die Häuser der Stadt sehen und es war Zeit mir zu überlegen, wo ich schlafen werden. Courmayeur ist nicht bekannt für günstige Unterkünfte. Es gab einen Campingplatz, aber um dahin zu gelangen hätte ich noch eine halbe Stunde mit dem Bus in ein anderes Tal fahren müssen, in das ich eigentlich nicht wollte. Also sah ich es als Zeichen, dass ich gerade den Klimabonus überwiesen bekommen hab und hab das Geld 1:1 in ein Zimmer in der Altstadt in Courmayeur investiert.

Ein Zimmer mit Dusche hatte ich auch dringend nötig: Der Trail war trocken und staubig und weder Schuhe nach Socken haben verhindern können, dass meine Zehen kohlrabenschwarz waren. Ich konnte nicht mehr aufhören zu niesen, weil der Staub bis ganz hoch in meine Nase gekrochen war. Die ausgedehnte Dusche hat aber geholfen und obwohl ich müde von der vielen Sonne und dem langen Tag war, wollte ich noch was von dem Ort sehen.

Courmayeur ist für einen Tourismusort recht süß: Vor dem Abendessen bin ich noch durch die malerische Altstadt geschlendert und hab den Start der TOR450 (Googelt das! Die sind crazy!) live mit erlebt. Kulinarisch hat Italien nicht enttäuscht und glücklich und zufrieden konnte ich mir am Abend überlegen, wie es für mich am nächsten Tag weiter gehen sollte.


Die TMB führt aus Courmayer heraus erst gute 1000 Höhenmeter hoch und danach wandert man mehrere Kilometer im Wald um wieder ganz ins Tal hinab zu steigen, bevor es hoch in Richtung französischer Schweiz geht. Ich erinnerte mich an das Gespräch mit dem Campingplatzbesitzer aus Contamines: „Ich kenne die Tour du Mont Blanc in- und auswendig. Das erste Stück nach Courmayer ist nicht sehenswert - an deiner Stelle würde ich den kostenlosen Shuttelbus ins Val Ferret nehmen und dort wieder einsteigen.“ Wäre die TMB ein großer Thruhike, bei dem mir ein continuous footpath wichtig wäre, hätte ich es nicht getan, aber mit den ganzen Zickereien von meinem Knie und dem guten Gefühl, dass mir die schönsten Streckenabschnitte der TMB für diese Tour ausreichen, war die Entscheidung gefallen.

Am nächsten Tag stieg ich - gemeinsam mit mindestens 20 anderen TMB Wanderer - in den ersten Shuttelbus ins Val Ferret. Ich musste die ganze Busfahrt vor mich hin grinsen: Die TMB ist doch auch ein bisschen wie Urlaub. Nicht nur für mich.

Das Panorama war wieder einmal fantastisch. Immer wieder musste ich stehen bleiben, nicht weil ich außer Atem war, sondern weil ich in Ruhe schauen wollte. Die Gletscher sind zum Greifen nah und die 4000er lachen dich an. Natürlich wollte ich mir auch an diesem Tag meinen Trailkaffee nicht entgehen lassen und bin bis zu dem Punkt gewandert, an dem im Vorjahr ein Bekannter von mir gezeltet hat. Hier wollte ich eine lange Mittagspause machen. Ich hab mich direkt ins Gras gelegt, meinen Rucksack ausgepackt, eine Zigarette gerollte, angefangen Kaffee zu kochen…. um dann möglichst schnell wieder aufzustehen und - ohne Kaffee - wieder los zu starten. Offensichtlich campen hier öfter Leute und lassen Essensreste zurück - die kleinen, fiesen, roten Ameisen wissen auf jeden Fall Bescheid und innerhalb von wenigen Minuten hatte ich sie überall. Wirklich überall!

Also musste ich ohne Koffein wieder weiter - die nächste Alm war überfüllt mit Tagesgästen und hat mich nicht angelacht und so war ich schon während der Mittagszeit in dem kleinen Ort Ferret. In meiner App mit der ich navigiere habe ich gelesen, dass es dort wohl ein kleines, uriges Lokal gibt, in dem man auch etwas essen kann. Die perfekte Gelegenheit nach 5 Stunden ohne richtige Pause. Die Besitzerin, eine Italienerin, die in der Schweiz lebt und fünf Sprachen spricht, war herzlich und freundlich und da nicht viel los war, haben wir uns eine Zeit lang unterhalten, während sich mein Koffein-Level wieder eingependelt hat und ich was gegessen habe.

Der nächste Campingplatz war in La Fouly, da wäre ich aber schon wieder viel zu Früh und die komplette Strecke mit nach Champex-Lac wäre wiederum zu weit. Ein Hiker, den ich in Neuseeland getroffen habe, hat die Ansicht vertreten, man könne ohne schlechtes Gewissen den Bus nehmen, wenn es einen gibt. Vor allem dann, wenn der Trail direkt neben einer befahrenen Straße verläuft und man aus dem fahrenden Bus gleich viel sieht. Irgendwie fühlte es sich wie Karma an, dass der nächste Abschnitt durch das flache Tal eh nicht so meins ist und der Postbus jede Stunde fährt. Also hab ich nach dem Mittagessen ein kleines Stück mit dem Bus abgekürzt und bin in Issert wieder ausgestiegen, um in der Nachmittagssonne nochmal knapp über 2 Stunden zum Zeltplatz in Champex-Lac hoch zu wandern. Was für ein wunderschöner Abschnitt! Zum ersten Mal sieht man in die weiten Täler der französischen Schweiz und es waren keine geführten Wandergruppen mehr unterwegs, sondern nur Menschen, die wie ich alleine oder zu zweit mit dem Zelt unterwegs waren. Nachdem ich die ersten fünf Tage mit kaum einer Menschenseele gesprochen habe, hat es sich toll und vertraut angefühlt, Gleichgesinnte zu treffen. Die Unterhaltungen waren leicht, unbeschwert und mit viel Gelächter. Besonders in Erinnerung geblieben ist mit eine deutsch-amerikanisch-mexikanische Familie, die mit ihrer zwei Jahre alten Tochter unterwegs waren. Ich habe sehr viel Respekt und Liebe für Menschen, die Dinge tun, von denen andere Leute behaupten, dass dies nicht möglich wäre. Cat, Oliver und ihre Tochter Ardana habe ich auch später wieder am Campingplatz getroffen und ich fand es richtig schade, dass ich denen nicht schon ein paar Tage vorher begegnet bin. Sie wollten am nächsten Tag ausschlafen und je nach Lust und Laune des Kindes erst später los startet - mein Ziel war es aber, gegen Mittag wieder an meinem Ausgangspunkt anzukommen und ich wollte los, bevor es richtig warm wurde.

Wie sich herausstellte, war das eine gute Idee! Der Aufstieg zur Alp Bovine hatte es in sich. Schon kurz nach 9 hat die Sonne herunter gebrannt und die Hütte wollte einfach nicht in meinem Blickfeld auftauchen. Jemand hat mir erzählt, dass die Familie, die die Alpe bewirtschaftet auch Getränke ausschenkt und es manchmal frischen Kuchen gibt. Auf das hätte ich große Lust gehabt! Aber leider: Die Tiere sind schon im Tal und mit ihnen die Leute, die Kuchen backen hätten können. Egal - ich war gut gelaunt und als mir zwei chinesische TMB Wanderer mit Holzstöcken, kleinen Rucksäcken und Gummistiefeln entgegen gekommen sind, konnte ich einfach nicht anders als leise vor mich hin zu lachen. Die Bandbreite der Menschen, denen man auf dieser Tour begegnet, ist echt extrem….

Es dauerte auch nicht mehr lange und ich war wieder zurück am Col de la Forclaz, da wo mich eine Woche zuvor der nette Bergführer aus Chamonix aussteigen hat lassen.

Was für eine tolle Wanderwoche: Die Landschaft in dieser Ecke der Alpen ist einfach unglaublich beeindruckend! Ich hatte unheimliches Wetterglück und immer beste Sicht auf die imposante Bergwelt. Aber die Idylle täuscht: Gerade rund um Chamonix sind unglaublich viele Hubschrauber unterwegs, vor allen zur Versorgung der populären Hütten und für zahlungskräftige Urlauber, die die Berge von oben sehen möchten. Man merkt definitiv, dass man sich in dicht besiedeltem Gebiet befindet und immer in der Nähe der Zivilisation unterwegs ist. Mit allen Vor- und Nachteilen. Die Tour du Mont Blanc hat definitiv einige spektakuläre Abschnitte zu bieten, aber wer lieber ganz einsam unterwegs ist, sucht sich andere Trails.




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