Die neue Distanz: Social Distancing wird zu Emotional Distancing

 Ein absolut verrücktes und außergewöhnliches Jahr liegt hinter uns allen - und mit einem hatten die Zukunftsforscher 2020 absolut recht: Nichts wird mehr so, wie es einmal war…

Damit meine ich jetzt nicht, dass wir alle in unserer Wohlstands-Bubble zu hefeteigbrotbackenden Home-Office Wunderwuzis mutieren. Es ist viel schlimmer, was mit uns nach über 365 Tagen Social Distancing passiert. Wir mutieren zu noch verkorksteren emotionalen Krüppeln, als wir es davor schon waren. Wo im März 2020 noch von Solidarität und „Gemeinsam schaffen wir das!“ die Rede war, hat sich das inzwischen zu „Geh mir nicht noch mehr auf den Senkel…“ gewandelt.

Bildschirmwärme durch regelmäßige Videokonferenzen kann keine emotionale Wärme und Nähe ersetzen. Wer den ganzen Tag beruflich vor dem Bildschirm verbringt, hat abends immer noch weniger Energie für virtuelle Kontaktpflege und so hat sich mein enger Freundeskreis drastisch reduziert. Sollte irgendwann die nächste Pandemie auf uns zu rollen, gibt es dann noch weniger Kontakte, die ich einschränken kann. Manchmal zweifele ich an mir selbst, ob ich das tatsächlich mit mir machen lassen soll und das ich doch einfach nur zum Telefon greifen müsste, um Leute zu hören, die ich seit Wochen und Monaten nicht mehr live gesehen habe - aber je weiter das Social Distancing geht, desto größer wird die emotionale Distanz.

Mir fehlt es an Empathie um mich mit anderen Menschen über das System zu ärgern oder andere in ihren Lobgesängen auf sich selbst zu bestärken. Und: Ich habe aufgehört, ein schlechtes Gewissen zu haben, weil ich mich bei Leuten nicht melde - schließlich melden sie sich auch nicht bei mir. Wahrscheinlich gehe ich ihnen genauso auf die Nerven oder haben gleich wenig Energie, Beziehungen und Freundschaften aufrecht zu erhalten, die am Ende des Tages mehr Energie kosten, als sie einem geben. Fair enough…

Ich bin niemandem böse, der sich aus meinem Leben geschlichen hat - ich lasse euch gerne ziehen, den momentan habe ich mit meinem eigenen Ego-Ballast mehr als genug um die Ohren.

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