Guatemala - das Land mit den vielen Gesichtern

Eigentlich ist Guatemala nie auf meiner Top-10-Reisewunsch-Liste gestanden, aber als ich in San Cristóbal in Mexico war, war die Grenze plötzlich so nah und Guatemala verlockend. Viele Traveller die ich getroffen habe waren begeistert von dem Land - günstig soll es sein und super einfach zu bereisen!

Ohne große Erwartungen habe ich mich von San Cristóbal auf den Weg nach Panajachel am Lago Atitlan gemacht. Die Strecke der Panamericana entlang zieht sich in die Länge, deshalb habe ich mir einen Shuttelbus gegönnt.... und dies kurz nach der Grenze schon wieder bereut! Der guatemaltekische Fahrer hatte es super eilig und ist im Höllentempo über den Highway gebrettert. Wir waren 9 Touris im Bus und wurden von einer Seite zur anderen geschauckelt; Körperkontakt lies sich nicht vermeiden. Blöderweise saß ich direkt hinter dem Fahrer in der Mitte und sah mehrere Male den Tod direkt auf mich zu kommen. Nicht nur ich, auch andere im Shuttle, haben ihn mehrfach gebeten langsamer zu fahren - das hat aber immer nur für wenige Minuten genützt und er hat wieder in den Rennfahrer-Modus geschaltet. Die hinteren Reihen im Bus hatten die Kotztüten durchgehend griffbereit....

Nach 13 langen Stunden, es war kurz vor 22 Uhr und stockdunkel, sind wir endlich angekommen. Als die Bustür aufging, war dies wie eine Befreiung! Allerdings nur kurz - ich war mitten in der Straßenhändler Zone und wurde von Diskomusik, Handtaschen und Maya-Tüchern fast erschlagen. Hilfe! Von dem Ort war nicht viel zu sehen - und dies lag definitiv nicht an der Dunkelheit! Gott sei Dank hatte ich mir in weiser Voraussicht ein Hotelzimmer nur für mich alleine gebucht - das erste Mal seit Ende November! Die schwindelerregende Fahrt hat ihre Wirkung gezeigt: Mein Magen konnte weder Flüssigkeiten noch feste Nahrung aufnehmen - Prost, Mahlzeit! Was für ein Start in Guatemala...


Am nächsten Morgen fand ich Panajachel immer noch nicht schöner - aber ich musst erst einmal was essen, bevor ich in der Lage war zu entscheiden, wohin es als nächstes gehen soll. Während ich beim Frühstück saß, wackelte die Erde - es war nicht mein Magen, sondern tatsächlich ein Erdbeben, das meine Knie wackeln ließ. 6,6 auf der Richterskala. Mein Start in Guatemala wird ja immer toller!

Panajachel, zumindest den Teil den ich gesehen habe, kann man getrosst auslassen. Meine Hoffungen lagen nun auf San Pedro - da wollte ich die nächsten zwei Nächte verbringen. Der Ort hat seine Hochzeiten als Backpacker Hotspot allerdings schon hinter sich und alles wirkt sehr aufgesetzt und künstlich - im Zentrum befinden sich nur Restaurants, Hotels und Touren-Anbieter - echtes Guatemala Fehlanzeige! Ich hab mich in einem kleinen Hotel gute 20 Minuten außerhalb des Orts einquartiert - da fällt man als Tourist auf der Straße noch auf und kommt auch mit Einheimischen ins Gespräch. So habe ich mir das schon eher vorgestellt! Trotzdem fühlte ich mich in San Pedro nicht so richtig wohl...

Weiter ging es nach San Marcos am Atitlan See. Von hier aus hat man einen fantastischen Ausblick auf den See und die Vulkane im Hingergrund. Ich war hauptsächlich mit schauen beschäftigt, den in San Marcos gibt es nicht viel mehr zu tun. San Marcos ist ein kleiner Ort, der Hippies aus der ganzen Welt anzieht. Hier kann man Rückführungen buchen, den ganzen Tag Yoga machen, halluzinogene Pilze konsumieren und dabei irgendwelche spirituellen Reisen zu sich selbst machen oder beim Trommel-Workshop barfuß um's Lagerfeuer tanzen..... Oder sich einfach einen Ananas-Shake bestellen und die ganzen Menschen beobachten - ich bin wohl einfach kein Hippie und werde auch keiner! Aber das war mir ja vorher schon klar...

Fazit nach meinen ersten 5 Tagen in Guatemala: Ja, die Natur ist toll und die Kombination aus See und Vulkanen am Lago Attitlan wunderschön - Aber: Günstig ist hier gar nix! Zumindest nicht dann, wenn ich meine Ausgaben für Unterkünfte oder Essen mit denen in Mexiko vergleiche. Über die Einheimischen konnte ich bisher auch nicht viel sagen, weil so viele hatte ich in meinen ersten Tagen nicht getroffen. Mehr Auswanderer und Backpacker aus der ganzen Welt - manche Begegnungen ganz spannend, aber diese Leute hätte ich genauso auf einer kleinen asiatischen Insel treffen können. Und das Essen... - na ja, ich trauere immer noch dem Food-Heaven Mexiko nach. ;)

Antigua wollte ich mir noch anschauen und danach entscheiden, ob ich auf schnellstem Wege weiter ziehe oder ob Guatemala eine 2. Chance von mir bekommt.


Kaum in Antigua angekommen, fühlte ich mich schon deutlich wohler - auch wenn manche Ecken recht künstlich wirken, hat die Stadt Charme. Mein Hostel war super zentral und schön, wenn auch nicht der kommunikativste Ort, da das Wifi gut und die Rucksack-Touristen zum größten Teil mit dem Handy beschäftigt waren. Aber ok, ist nun mal so und zum Deutsch oder Englisch sprechen bin ich ja eh nicht hergekommen. Ich wollte auf den Acatenango, einen Vulkan der eine Höhe von 3950 Metern hat. Von da aus lässt sich bei gutem Wetter der aktive Vulkan Fuego beobachten. Dafür habe ich sogar eine organisierte Tour gebucht und hatte exakt noch 24 Stunden bevor es los ging. Es wurde Zeit für ein bisschen Kontrastprogramm zur üblichen Latino-Salsa- Musik und so bin ich in einen Techno-Club, in dem ich - wie zu erwarten - die einzige Ausländerin war. Es war super witzig und nachdem die Guatemalteken ihre Scheu verloren hatten und mit mir geredet und getanzt haben, war es einer der besten Abende in Guatemala!

Antigua ist echt schön... aber fast schon zu schön. Ich mag es nicht, wenn man den Orten das UNESCO Weltkulturerbe an jeder Ecke ansieht. Ein Tag war ganz okay und dann ging es schon los auf den Vulkan - definitiv meine beste Entscheidung auf meinem Trip durch Guatemala! So nah am aktiven Vulkan Fuego zu sein und ihn die ganze Nacht beobachten zu können, was einfach fantastisch! Voller Adrenalin bin ich am nächsten Tag gegen Mittag nach Antigua zurück gekommen.

In Guatemala bleiben oder doch wieder zurück nach Mexiko? Semuc Champey wollte ich mir noch anschauen - ein Spanier, der vor 7 Jahren dort war, hat mir voller Begeisterung davon erzählt. Unglaublich abgeschieden und kaum erreichbar sollte der Ort sein. Ein Blick in das Angebot der Tourenveranstalter hat dann aber ergeben, dass auch Semuc Champey inzwischen sehr gut an das Netz der Touri-Highlights angebunden war. Wenigstens gibt es seit wenigen Jahren ein Hostel, dass direkt am Nationalpark liegt und ich somit den Park ohne organisierte Tour besuchen konnte. Das hat sich absolut gelohnt! Ich war gute 5 Stunden vor den Reisegruppen im Park und hatte den Ort (fast) ganz für mich alleine... danach habe ich mich mit Guatemala versöhnt. Bei Mittagessen saß ich mit zwei Polizisten am Tisch und hab spannendes über ihre Weltansichten erfahren. Ich habe das Hardcore-Touri-Programm hinter mir - jetzt wurde es wieder Zeit für eine andere Form des Reisens.



Mein nächster Stop sollte in Flores sein. Online habe ich Bekanntschaft mit Dieter gemacht, einem Deutschen der seit vielen Jahren in Guatemala lebt und der jemanden sucht, der seinen Tikal-Reisefüher vom Englischen ins Deutsche übersetzt. Klingt nach einer spannenden Aufgabe - und ich bewege mich wieder etwas außerhalb der üblichen Pfade. Und hier bin ich nun seit fast einer Woche und lebe in einem wunderschönen Haus etwas außerhalb von Santa Elena.

Ich lerne super viel über die Kultur der Mayas und lerne spannende Menschen kennen. Fast jeden Tag fahre ich Tuk-Tuk und es ist immer wieder erstaunlich, welche Gesprächsthemen sich auf der 15-minütigen Fahrt in die Stadt ergeben - egal ob mit dem Fahrer oder anderen Fahrgästen, mit denen man sich hier immer wieder das Tuk-tuk teilt. Besonders spannend war der Abend, als ich mit einem Driver über das Thema Armut in Guatemala gesprochen habe und wir 15 Minuten später über Abtreibung diskutiert haben. Definitiv eine Story, die ich daheim beim Bier erzählen muss...

Ich bin endlich wieder in meinem Langsam-Reise-Modus angekommen und bin Dieter und seiner Frau Eva sehr dankbar, dass ich eine Zeit in ihrem kleinen Paradies mitwohnen darf. Es gibt keinen Grund von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit zu hetzen - ich genieße die Tage hier am See bei Flores, plansche im Wasser und bekomme endlich ein "echtes" Gespür für Guatemala!

Natürlich habe ich auch Tikal, die größte Stadt der Mayas, besucht. Super beeindruckend! Ich war positiv überrascht, wie weitläufig das Gelände ist und wie sich die Menschen-Massen verteilen. An manchen Tempeln, die etwas außerhalb des historischen Zentrums liegen, war ich sogar ganz alleine. Wenn man sich Zeit nimmt, kann man hier die Magie des Ortes spüren und darüber nachdenken, weshalb sich die Mayas vor über 2500 Jahren exakt an dieser Stelle niedergelassen haben...



Auf der Rückreise von Tikal kam es zu einer weiteren Begegnung, die zeigt wie toll sich Guatemalteken um ihre Gäste kümmern: Der Bus für die Touristen war überbucht - aber kein Grund zur Panik! Der Besitzer des Busunternehmens nahm Silvia, eine Reisende aus der Schweiz, und mich zur Seite und sicherte uns zu, dass er eine Lösung für uns finden wird. Gesagt, getan: Alle anderen waren eingequetscht im 50-Sitzer Bus der im Schneckentempo zurück fährt und Silvia und ich bekamen eine private Taxifahrt in einem klimatisierten Auto mit Ledersitzen - inklusive guter Unterhaltung!

Guatemala ist definitiv ein Land, auf das man sich einlassen muss, wenn man "mehr" erleben möchte als das 08/15 Backacker-Programm. Das Land macht es einem aber manchmal auch schwer aus dieser "Backpacker-Blase" auszubrechen, da einem gesagt wird, dass es keine Alternative zum organisierten Touristen-Shuttle gibt. In den meisten Fällen ist das aber einfach nur geschwindelt. ;) Es hilft, wenn man ein paar Sätze spanisch spricht, denn die Einheimischen sind sehr daran interessiert, etwas von der Welt zu erfahren - und mit einem Scherz und einem netten Lächeln hat man die Leute gleich auf seiner Seite. Guatemala wird mich sicherlich wieder einmal sehen...

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