Wie sich meine Welt des Backpackings geändert hat

Bin ich zu alt für Backpacking? Diese Frage habe ich mir in den vergangenen Wochen gestellt - beziehungsweise von einer 23-jährigen Belgierin stellen lassen. Die war ganz aus dem Häuschen, dass sie mich getroffen hat - ich hab mich ein bisschen wie ein Dinosaurier im Museum gefühlt, aber fand es ganz amüsant.

Manchmal, besonders dann, wenn ich wenig Kontakt zu Menschen habe, die im selben Jahrzehnt geboren wurden, kommt man schon ins Grübeln. Fühle ich mich als Backpackerin noch wohl? Fakt ist, dass die meisten Rucksacktouristen zwischen Anfang und Mitte 20 sind - nur vereinzelt sind solche Raritäten wie ich (Ü35) alleine unterwegs. ;)

Da meine Lebensplanung aber keine Kinder und keinen All-inclusive Urlaub beinhaltet, habe ich die Möglichkeit so zu reisen wie ich das möchte. Selten in Gruppen, maximal mit einem perfekten Reisepartner oder aber nach wie vor am liebsten alleine. 

Während der Großteil meiner Generation mit Kinder kriegen, Haus bauen und Kredit abzahlen beschäftigt ist, reise ich um die Welt. Andere haben vielleicht nicht die Möglichkeit - lassen sich aus beruflichen Gründen davon abhalten, bewegen sich ungern außerhalb der eigenen Komfortzone oder wollen nicht alleine verreisen. Finanzielle Gründe lasse ich nicht gelten - das sind in den meisten Fällen Ausreden dafür, im Alltag seine Prioritäten anders zu setzen. Alleine das Geld das ich in einem Jahr spare, weil ich kein Auto habe, ist mehr als ausreichend um 2 Monate durch Mexiko zu reisen, ohne großartig auf Luxus zu verzichten! Aber es müssen ja nicht alle reisen - es wäre an allen schönen Plätzen furchtbar voll und furchtbar teuer, wenn alle den selben Reisevirus hätten. Also: Danke an alle, die daheim bleiben! ;)

Meine Art mit Rucksack zu Reisen hat sich aber definitiv geändert: Ich bleibe gerne länger an einem Ort und lerne diesen richtig kennen. Früher bin ich alle 2-3 Tage weiter gezogen, aber inzwischen nehme ich mir mehr Zeit die ganzen neuen Eindrücke zu verarbeiten. Oder auch mal einen ganzen Tag lang nix zu tun und faul zu sein. Außerdem will ich auch nicht so viel Zeit in Flugzeugen, Bussen oder auf Schiffen verbringen. Weniger ist mehr - obwohl ich gerade 4 Monate in Mexiko bin, werde ich am Ende meiner Reise maximal ein Viertel des Landes gesehen haben; dieses dafür richtig. 

Wenn ich in einem Land bin, reise ich gerne langsam. Immer wenn es möglich ist, bewege ich mich zu Fuß und ich nehme auch lieber den langsamen 2. Klasse Bus, den auch die Einheimischen nehmen, als den klimatisierten Mini-Van, der nur Touristen von A nach B befördert. In klimatisierten Bussen werde ich generell schnell krank und ich mag es, mich mit Einheimischen zu unterhalten - die Tipps für Restaurants oder Sehenswürdigkeiten außerhalb der Lonely-Planet-Welt sind unbezahlbar! Es sind auch genau diese Begegnungen, die den Reiz am Reisen und Erleben ausmachen.

Von der Idee, alle Sehenswürdigkeiten unbedingt sehen zu müssen, halte ich wenig. Sofern es möglich ist, schaue ich mir die für mich interessanten Orte gerne auf eigene Faust an, ohne bezahlte Tour und ohne Zeitdruck. Hierves de Agua, ca. 60 Kilometer außerhalb von Oaxaca, ist ein gutes Beispiel. Ich habe dort einen ganzen Tag verbracht - habe meine Füße in den Quellen gebadet, hatte genug Zeit mit Mexikanern zu plaudern, die dorthin gerne Ausflüge machen, war mir einigen andern Reisenden gemeinsam Mittagessen und ich hab die eindrucksvollen Wasserfälle komplett umwandert. Die organisierten Touren machen dort maximal 60 Minuten Halt - das reicht um zu den Quellen zu wandern, ein paar Fotos zu machen und eine Cola zu trinken. Danach muss man sich beeilen, wieder rechtzeitig am Busparkplatz zu sein.



Mich langweilt der oberflächliche Backpacker-Small-Talk mit Menschen, die sich weder für mich interessieren, noch ich mich für sie. Kürzlich habe ich einen jungen Kanadier getroffen, der ja schon alles gesehen und erlebt hat, schon überall war und denkt, alles zu wissen. Im Endeffekt kann er dir maximal sagen, in welcher Bar es den günstigsten (nicht den besten) Tequila gibt und welcher Taco-Laden bis morgens um 3 offen hat. Und ob die Asiatin, die Amerikanerin oder die Deutsche aus dem Hostel besser küssen (von mehr habe ich nur einmal mitbekommen!) kann. Das sind die Momente, in denen ich die Spätpubertierenden gerne an die Wand klatschen würde. Wenn mir danach ist, mache ich das auch - zumindest verbal. Und dann fühle ich mich für einen kurzen Moment alt und griesgrämig. ;)

Mir sind die Tage am liebsten, an denen ich früh aufstehe und Ruinen oder Naturparks vor den Massen (und der Hitze) besuche. Ich verzichte gerne darauf, erst mittags auf zu wachen, Kopfweh und einen trockenen Mund zu haben. Aber ist das ein Anzeichen dafür, dass ich zu alt für Backpacking bin?

Ich bin auch nicht mehr in der Lebensphase, in der ich jeden Euro dreimal umdrehen muss. Immer wenn mir danach ist, kann ich einfach ein tolles Hotelzimmer nur für mich alleine buchen. Und auch in Hostels habe ich immer die Wahl: Wähle ich die günstigste Variante in einem 16-Personen-Dorm oder lege ich 2 Euro pro Nacht drauf und teil mir das Zimmer mit maximal 4 Leuten. Für diesen "Luxus" gehe ich ja schließlich auch arbeiten. ;)

Aber die Frage lautet "Bin ich zu alt für Backpacking?" - Nein, bin ich nicht! Der Rucksack ist immer noch mein Lieblingsgepäckstück - nur das "wie" und das "mit wem" haben sich verändert. Und das eindeutig in eine positive Richtung!

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