Mein Besuch bei den Zapatisten in Chiapas

Der mexikanische Bundesstaat Chiapas hat Mitte der 90er Jahre weltweite mediale Aufmerksamkeit erlangt - am 1. Jänner 1994 haben indigene Guerilleros die Rathäuser in 5 Bezirkshauptstädt besetzt und Grundrechte für die indigene Bevölkerung gefordert. Die Revolte wurde von der mexikanischen Armee blutig niedergeschlagen; neben den Kämpfern wurden auch zahlreiche unbeteiligte Zivilisten getötet.

Chiapas ist der Armenhaus Mexikos. Fast 5 Millionen Menschen leben in diesem fruchtbaren Hochland, welches an Guatemala grenzt. Insgesamt 14 indigene Stämme, unter anderem die bekannten Mayas, haben ihr Zuhause in diesen Bergen. Mitte der 90er haben sich die von der Politik vernachlässigten und vergessenen Völker zusammen geschlossen und haben mit Gewalt auf ihre Situation aufmerksam gemacht.

Die Zapatisten, wie sich die Freiheitskämpfer nennen, organisieren sich in der EZLN ("Ejército Zapatista de Liberación National). Über die einzelnen handelnden Personen ist wenig bekannt; die Männer und Frauen vermummen sich um nicht erkannt zu werden und kommunizieren nur spärlich mit der Außenwelt. Sie kämpfen für Autonomie, Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit für die indigene Bevölkerung. In den Bergen Chiapas gibt es sogenannte "Aguas Calientes" - in diesen Zentren treffen sich die Zapatisten und deren Anhänger um sich zu organisieren und ihre politischen Botschaften zu verbreiten. In diesem rund um die Uhr bewachten Gelände befinden sich Büros, Schulen und Versammlungsräume. Eines dieser zapatistischen Zentren befindet sich ca. 1 1/2 Stunden von San Cristobal de las Casas entfernt - und genau dort hin bin ich kürzlich gefahren...


Bevor ich das Gelände der Zapatisten betreten durfte, musste ich mich ausweisen und meine Daten sowie der Grund meines Besuches angeben. Die Männer tragen schwarze Sturmhauben und die Frauen, die alle in Tracht gekleidet sind, verhüllen ihre Gesichter mit Tüchern. Man fühlt sich schon etwas komisch, wenn man vor dem Tor darauf wartet, dass seine Daten geprüft werden und ob man die Erlaubnis erhält, hinein zu kommen. Nach einigen Minuten wurde ich gemeinsam mit einigen anderen hinein gewunken. Danach konnte unser Rundgang durch das Gelände beginnen.

Erklärt wird nichts; die Zapatisten sprechen auch nicht mit einem. Unsere 5er Gruppe wurde von einer Frau begleitet, deren Aufgabe es war uns zu bewachen und darauf zu achten, dass wir nicht vom Weg abweichen.


Die Zapatisten haben sich hier ihre eigene Infrastruktur aufgebaut: Es gibt ein eigenes Krankenhaus, Sportplätze, ein kleines Restaurant, ein Auditorium und Schulen. Alle Gebäude sind bunt angemalt und mit politischen Botschaften versehen. Es geht unter anderem um Menschenrechte, Naturschutz, Bildung, Freiheit, Autonomie und Unterstützung von weltweiten Freiheitsbewegungen.





Nach ungefähr 30 Minuten ist der Rundgang beendet und wir müssen das Gelände wieder verlassen.

Es ist interessant diesen Ort zu sehen, aber er lässt einen auch mit vielen offenen Fragen zurück: Was hat sich in den letzten 25 Jahren getan? Wie hat sich die Lebensqualität der indigenen Bevölkerung in Chiapas verändert? Bedeutet diese Autonomie auch Verzicht auf Chancen zur ökonomischen Weiterentwicklung? Wie viele Menschen unterstützen die EZLN oder sind aktive Mitglied? Woher kommt das Geld für die Waffen, die Autos und den Bau dieser Gebäude?

Es ist nun schon einge Tage her, dass ich dort war - und immer noch kann ich das Erlebte nicht richtig einordnen. Ist der flächendeckende Zugang zu Coca Cola wirklich die Freiheit, die sich die indigene Bevölkerung Chiapas gewünscht hat? Weshalb gehen diese Kinder nicht zur Schule und lernen Lesen und Schreiben, obwohl Prämien für den Schulbesuch bezahlt werden? Werden die Anhänger der Zapatisten von ihren ideologischen Führern bewußt für dumm verkauft? Weshalb interessiert sich die mexikanische Politik nur dann für diese Menschen, wenn sie zu Waffen greifen?

Wer mehr erfahren möchte - hier der Link zu einer der wenigen Dokumentationen auf Deutsch:

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Neuseeland: Beobachtungen vom anderen Ende der Welt

TMB Review - in 7 Tagen rund um den Mont Blanc

Überraschendes und Gewöhnliches aus Albanien